Familie Schönthal

Alt Rödelheim 6

Louis Schönthal wurde am 29. November 1873 als Sohn von Ferdinand und Johanette (Jette) Schönthal in Rödelheim geboren. Er hatte zwei Brüder und drei Schwestern. Die ältere Jenny, geb. am 8. September 1870, heiratete später den Rödelheimer Jacob Spanier. Sie lebte mit ihrer Familie zunächst 20 Jahre in der Radilostraße bevor sie zu Beginn des 1. Weltkriegs mit ihrer Familie nach Köln zog. Die jüngere Frieda wurde am 10. Oktober 1876 geboren, heiratete Bernhard Appel und lebte mit ihrer Familie in Frankfurt-Bergen. Das Alter der dritten Schwester Johanna, verheiratete Günther ist uns nicht bekannt. Sie lebte mit ihrer Familie in Gießen. Über die beiden Brüder ist uns nichts bekannt.

Anna Schönthal (1. Reihe, 2. von rechts) und ihre Töchter (2. Reihe mittig)

Louis Ehefrau Anna war eine geborene Kahn und kam am 23. Juni 1875 in Oberingelheim in Rheinhessen zur Welt. Louis und Anna lebten mit ihrer Familie im Haus Alt Rödelheim 6 zur Miete. Sie betrieben ein Geschäft für Weiß- und Wollwaren. Sie hatten drei Töchter: Johanna, genannt Henny geboren am 24. Oktober 1901, Lilly, geboren am 13. Oktober 1903 und Alice, geboren am 16. Juni 1911.

Lilly, die mit Salo Heilbronn verheiratet war, konnte mit ihrer Familie über England in die USA emigrieren. Nach ihrer Heirat 1937 lebte sie noch einige Zeit mit ihrem Mann in der Wohnung ihrer Eltern in Alt Rödelheim. Sie musste sich von der Hausbesitzerin, mit der die Familie vor 1933 noch sehr freundlich verkehrte, den Satz sagen lassen: „anstatt ein Jud weniger zu haben, ist einer mehr hier im Haus.“

Auch Alice, verheiratet mit Arthur Hochheimer, gelang die Ausreise in die USA.
Alle drei Töchter besuchten zunächst die Volksschule und dann die Rödelheimer Realschule. Eine der Töchter empfand die Atmosphäre in Rödelheim bereits vor 1933 als nicht judenfreundlich. Ihr sei in der Rödelheimer Realschule von einem Mitschüler ein „Freibillet nach Palaestina und nicht wieder zurück“ zugesteckt worden.

Nachdem die Schönthals ihr durch den Boykott stark geschwächtes Textilgeschäft 1937 aufgeben mussten, mussten sie schließlich im Sommer 1938 auch aus ihrer Wohnung in Alt Rödelheim 6 ausziehen. Ihre letzte Adresse lautete am Schwimmbad 5 in Frankfurt.

Anna und Louis Schönthal wurden von Frankfurt aus ins Ghetto Minsk deportiert. Sie sollen dort elendig verhungert sein. Ein Verwandter berichtete später, dass er gesehen hätte, wie sie in ein Massengrab geworfen worden seien. Der amtliche Sterbetag wurde für beide auf den 8. Mai 1945 festgelegt.

Ihre Tochter Henny war mit Julius David aus Hannover verheiratet und betrieb dort mit ihm gemeinsam ein Hutgeschäft. Am 17. März 1943 wurden beide von Berlin aus nach Theresienstadt deportiert. Julius starb dort bereits drei Monate später am 17. Juni 1943. Henny wurde 1944 von Theresienstadt nach Auschwitz deportiert und dort am 12. Oktober 1944 ermordet.

Frieda Appel, eine der Schwestern von Louis Schönthal wurde am 22. November 1941 gemeinsam mit ihrem Mann Bernhard von Frankfurt aus nach Kaunas deportiert und dort am 25. November 1941 im Fort IX direkt nach der Ankunft ermordet.

Die Schwester Jenny Spanier, die mit ihrer Familie in Köln lebte, versuchte sich durch die Flucht nach Holland in Sicherheit zu bringen. Sie, ihr Mann und die Familie ihres Sohnes Max, der Schriftsteller war, wurden von Holland aus deportiert. Sie alle wurden im Holocaust ermordet.

Quellen:
Krohn, Helga / Rauschenberger, Katharina; Juden in Rödelheim. Die vergessenen Nachbarn, Frankfurt 1990
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Archiv Gruppe Stadtteilerkundung in der Evangelischen Cyriakusgemeinde

Fotos:
Archiv Gruppe Stadtteilerkundung in der Evangelischen Cyriakusgemeinde