Familie Markus

Flussgasse 5-7

Ferdinand Markus

Ferdinand Markus wurde am 9. März 1901 als Sohn von Rosalie und Abraham Markus in Rödelheim geboren. Seine Geschwister waren Paula und Ludwig Markus.

Ferdinand heiratete am 11. Oktober 1924 die nichtjüdische Johanna Luise Mattes aus Rödelheim. Von ihr wird berichtet, dass sie taubstumm war. Beide lebten bis zu ihrer Scheidung Ende der 20ziger Jahre gemeinsam mit ihrer 1924 geborenen Tochter Edith in der Flussgasse 5-7.

Über das weitere Schicksal von Johanna Luise ist bisher nichts bekannt. Tochter Edith heiratete später den Frankfurter Manfred Wolf und starb 1996 in Frankfurt.

Inge Markus
Inge Markus
Flora Markus
Flora Markus

In zweiter Ehe war Ferdinand Markus mit Flora Reiss verheiratet. Flora wurde am 28. März 1908 als Tochter von Jette Reiss, geb. Lind und Max Reiss in Hainchen, einem Ortsteil von Hüttengesäß geboren. Ihre gemeinsame Tochter Inge Ursula wurde am 4. Februar 1930 geboren.

Ferdinand Markus war seit dem 28. Juli 1928 bei der städtischen Straßenbahn als Schaffner beschäftigt. Am 22. April 1933 verlor er seinen Arbeitsplatz. Vorausgegangen waren betriebliche Vertrauenswahlen, bei denen die Nationalsozialistische Betriebszellenorganisation (NSBO) insbesondere in Rödelheim eine schwere Schlappe hinnehmen musste. Die Gestapo machte daraufhin Betriebsangehörige ausfindig, die sie verdächtigte, diese Organisation abgelehnt zu haben und erwirkte deren Entlassung. Außerdem verfügte der Magistrats-Personaldezernent Frankfurts bereits in einem Rundschreiben vom 4. März 1933 die Entlassung bzw. Beurlaubung aller Beamten und Angestellten jüdischen Bekenntnisses. Die Entlassung jüdischer Beamter und Angestellter begann in Frankfurt also bereits vor Inkrafttreten des „Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“, mit dem in ganz Deutschland die Entlassung jüdischer Beamter umgesetzt wurde.

Flussgasse 5 Haus

Nach seiner Entlassung eröffnete Ferdinand Markus einen Tapezierladen in der Flussgasse. Im Juli 1932 trat er der KPD bei. Gemeinsam mit anderen Widerstandskämpfern wurde er am 7. September 1936 verhaftet und wegen „Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens“ und der „Beeinflussung der Massen durch Herstellung und Verbreitung von Schriften“ angeklagt. Im Dezember 1936 wurde er gemeinsam mit 21 Angeklagten aus Rödelheim und Westhausen verurteilt. Das Urteil: 2 Jahre und 3 Monate Haft.

Flussgasse rechts 7-5
Flussgasse rechts 7-5

– Eine ausführliche Darstellung des Verfahrens und der Vorwürfe ist unter „Der Prozess gegen die Widerstandsgruppe Rödelheim-Westhausen 1936“ aufrufbar. –

Seine Haftzeit musste Ferdinand Markus im Straflager „Aschendorfer Moor, Lager II“ in Freiendiez verbringen.

Wahrscheinlich nach der Verhaftung von Ferdinand Markus im Jahr 1936 zogen Flora und ihre Tochter Inge Ursula von der Flussgasse in die Wohnung ihrer Schwiegermutter Rosalie Markus in das Haus Alt Rödelheim 40. Von Floras Mutter Jette Reiss heißt es, dass sie 1936 ebenfalls nach Rödelheim zu ihrer Tochter zog.

1939 mussten sie das Haus zwangsweise verlassen. Flora Markus und ihre Tochter wohnten nun im Baumweg 23. Beide wurden im Rahmen der 2. Großen Deportation von mehr als 1.000 Menschen am 11.November 1941 ins Ghetto Minsk verbracht. Unter den Deportierten befand sich auch Jette Reiss. Die Deportation hatte eigentlich am 02.November 1941 stattfinden sollen, wurde aber mutmaßlich um 9 Tage verschoben, um mit einigen Rüstungsbetrieben zuvor Rückstellungswünsche für jüdische Zwangsarbeiter abzustimmen.

Die Fahrt des Zuges, in dem sich wahrscheinlich Flora und Inge Ursula Markus befanden führte über Berlin, Warschau, Byalostok, Baranowitschi nach Minsk. Ein Überlebender der Shoa beschreibt die Fahrt seines Zuges wie folgt:

„Die Fahrt dauerte sechs Tage, wir hatten Lebensmittel dabei aber kein Wasser, viele Leute starben. Wir haben als es regnete die Finger abgeleckt, um Flüssigkeit zu bekommen. Vor Durst starben Menschen. Viele schrien: `Wir brauchen Wasser´, manchmal bekamen wir einen Halt. Wir hatten viele Tote.“

Vermutlich am 17. November kam der Zug aus Frankfurt in Minsk an. Die mit dem Transport in die Stadt gekommenen Menschen wurden vom Bahnhof durch das zerstörte Minsk in das auf der anderen Seite liegende Ghetto geführt.

„Das erste was wir in dem Ghetto in den kleinen Holzhütten sahen, waren tot Leute in den Häusern, tote Kinder mit zerschmetterten Köpfen, kleine Babys. Es waren weißrussische Juden. In den Tagen vorher wurden sie erschossen um den Frankfurtern und anderen aus Hamburg und Düsseldorf `Platz´ zu machen. In dem Bereich entstand das Sonderghetto I. Die Frankfurter wurden in die kleinen Holzhütten eingewiesen.

Über das Schicksal von Flora und Inge Ursula Markus, sowie Jette Reiss sind keine weiteren Details bekannt. Sie wurden in Minsk ermordet.

Einem Bruder von Flora Markus, der vermutlich 1909 geboren wurde, soll die Flucht nach Palästina gelungen sein. Die Mutter, Jette Reiß, soll ebenfalls im Ghetto Minsk den Tod gefunden haben. Ihr Vater Max Reiß überlebte den Holocaust und starb im Jahr 1971.

Ob Ferdinand Markus nach seiner Haft noch einmal nach Frankfurt zurückkehrte ist nicht bekannt. Im August 1939 wurde ein Passierschein auf seinen Namen nach Marseille bewilligt. In Frankreich endete seine Flucht im Internierungslager in Drancy. Seine Spur findet sich wieder auf der Deportationsliste des Transportes vom 28. August 1942 aus dem Lager Drancy nach Auschwitz. Der Transport mit 1.000 Juden führte zunächst nach Kozlu, wo eine erste „Personenselektion“ stattfand. Die Überlebenden dieser Selektion kamen am 31. August 1942 in Auschwitz an. Ferdinand Markus wurde wahrscheinlich bereits am Tag seiner Ankunft in Auschwitz ermordet.

erdinand Markus zweite Reihe ganz rechts mit Pfeife
Ferdinand Markus zweite Reihe ganz rechts mit Pfeife

Quellen:

  • Krohn, Helga / Rauschenberger, Katharina; Juden in Rödelheim. Die vergessenen Nachbarn, Frankfurt 1990
  • Suchliste Yad Vashem
  • Archiv Gruppe Stadtteilerkundung in der Evangelischen Cyriakusgemeinde
  • www.op-online.de/region/main-kinzig-kreis/ronneburg/reiss-entkam-nationalsozialisten-stolpersteine-13297985.htmlwww.geni.com/people
  • Gerichtsakten des Hessischen Hauptstaatsarchivs Wiesbaden
  • Bromberger, Barbara; Nieder mit Hitler! Frankfurter Arbeiterbewegung im Widerstand gegen den Faschismus 1933-1945; Frankfurt am Main 1988

Fotos:

  • Archiv Gruppe Stadtteilerkundung in der Evangelischen Cyriakusgemeinde
  • Bildarchiv Yad Vashem