Nachdem Ende Oktober die Bauarbeiten an der Gedenkstätte der ehemaligen Rödelheimer Synagoge fertiggestellt waren, fand am 6. November 2015 die Einweihungsfeier statt. Projektleiter Dr. Armin Kroneisen begrüßte die Gäste, darunter insbesondere den Bürgermeister Olaf Cunitz, den Kulturdezernenten Prof. Dr. Felix Semmelroth, den Bezirksleiter des Grünflächenamts Stephan Slachmuylders, den Ortsvorsteher Veljko Vuksanovic, Rabbiner Julian-Chaim Soussan, Vertreter der evangelischen und katholischen Gemeinden Rödelheims und den Architekten Horst Günter Kroneisen. Für den musikalischen Rahmen sorgte Nicole Lauterwald, die für Katharina Hackel eingesprungen war. Kroneisen wies die Besucher auf das Begleitblatt zur Veranstaltung hin und dankte allen Spendern, die das Unternehmen ermöglicht haben. In einem kurzen Abriss schilderte er den Verlauf der Bauarbeiten und die Entwicklung des Projekt am Runden Tisch:
„Unser gemeinsames Ziel am „Runden Tisch“ war: Eine Gedenkstätte zu schaffen, die einen Bogen spannt von der ehemaligen jüdischen Gemeinde und ihrer Geschichte von 1290 bis 1938/42, das sind rund 22 Generationen, die mit ihrer Synagoge Teil des Rödelheimer Lebens war, zur folgenden Zerstörung und zur Ermordung jüdischer Bürger. Heute ist die Gedenkstätte fertig gestellt und erfüllt, so meine ich, die in sie hineingedachten Erwartungen. Ich werde nun nicht der Versuchung erliegen und in die 650-jährige Geschichte der Rödelheimer Juden eintauchen. Wer sich dafür interessiert, sei auf die Info-Tafel am Rande der Gedenkstätte verwiesen. Es ist für mich immer wieder unfassbar, wie in kurzer geschichtlicher Zeit dieses nachbarliche Verhältnis der Rödelheimer mit ihren jüdischen Mitbewohnern in Ausgrenzung, Verfolgung und Hass bis hin zur Ermordung dieser Nachbarn umschlagen konnte. Die wieder sichtbare Rödelheimer Synagoge soll, so ist unser Wunsch, über das reine Gedenken und Mahnen hinaus, das seit 1979 an dieser Stelle begangen wird, zusätzliche Impulse geben! Wie wir ja aus der Vergangenheit erfahren haben, ist selbst das miteinander Leben über so lange Zeit wie hier in Rödelheim kein Garant gegen Misstrauen, Ausgrenzung, Diffamierung und Hass. Man kann nur durch persönliche Begegnungen und gegenseitiges Kennenlernen diesen negativen Impulsen Paroli bieten. Und so hoffen wir auf rege Nutzung der Gedenkstätte zu diesem Zweck. Sicher werden wir damit alleine wohl kaum die Welt verbessern können. Was wir allerdings können, jeder für sich und dann wir zusammen, ist, das Kleinklima in unserer unmittelbaren Umgebung, in unserem Haus, unserer Straße, unserem Stadtteil mithelfen so zu gestalten, dass Misstrauen, Diffamierung, Ausgrenzung, Hass gegen wen auch immer keine Grundlage mehr finden können. Das bedeutet für jeden, der es ernst meint, guten Willen aufzubringen und Arbeit an sich selbst zu leisten! Ich wünsche mir, dass mit diesem gemeinsamen Projekt ein Kennenlernen und Verstehen anderer Religionen und Lebensplanungen zu freundlicher gegenseitiger Toleranz führt – und das auch angesichts der jüngsten Flüchtlingsströme.“
Grußwort von Bürgermeister Olaf Cunitz: „Ich freue mich sehr, dass wir uns heute in einem ähnlichen Kreis zusammengefunden haben wie vor knapp vier Monaten, als wir gemeinsam den Ersten Spatenstich zur Sichtbarmachung der früheren Rödelheimer Synagoge feierlich begangen haben. Ich habe damals darüber gesprochen, wie wir als Stadt Frankfurt am Main mit unserer Vergangenheit umgehen, insbesondere mit den dunkelsten Kapiteln der NS-Zeit. Ich habe das anhand einer Reihe von Beispielen aufgezeigt. Für mich ist aber die Quintessenz bei diesem Thema, dass wir immer wieder vor der Frage stehen werden, wie ein angemessener Umgang mit unserer Geschichte aussieht – und wir diese Frage auch immer wieder neu beantworten müssen. So schaffen wir verschiedene Formen und auch Orte des Erinnerns. Diese Erinnerung ist wichtig; sie hält unser Gedächtnis wach. Sie mahnt uns. Eine Erinnerungskultur darf nicht statisch sein, sie muss sich verändern. Die Zeitzeugen gehen, die zeitliche Distanz zu den Ereignissen wächst. Damit wir uns der Lehren der Geschichte bewusst bleiben, müssen wir über das reine Erinnern hinausgehen. Erinnern kann und darf für die Gesellschaft nie ein formaler Akt sein. Erinnern heißt stets auch deuten. Wir müssen uns dafür mit der Geschichte auseinandersetzen. Hier in Rödelheim geht es um die Sichtbarmachung eines Teils der Ortsgeschichte, die weit über die 12 Jahre der NS-Diktatur hinausgeht. Die jüdische Gemeinde war über viele Jahrhunderte hinweg ein wesentlicher Teil der Rödelheimer Geschichte. Das sollte ebenso wenig in Vergessenheit geraten wie die Vertreibung und Ermordung der jüdischen Mitbürger. Indem hier nun der Grundriss der früheren Rödelheimer Synagoge sichtbar gemacht wurde, ist ein würdiger, ein zugleich neuer und alter Ort als Gedenkstätte entstanden. Das seit dem Jahr 1979 hier bestehende Mahnmal wird ergänzt und erweitert. Der Thorastein verweist auf die ursprünglich Nutzung des Ortes. Die Stele personalisiert die grausamen Schicksale und macht aus den Opfern wieder Menschen mit Namen. Ich danke allen Beteiligten für ihr Engagement, insbesondere natürlich der Initiative „Synagoge Rödelheim“, aber auch dem Heimat- und Geschichtsverein Rödelheim – namentlich Herr Dr. Armin Kroneisen –, allen anderen Initiativen, Firmen, Stiftungen, den beiden christlichen Kirchengemeinden, dem Ortsbeirat und allen Bürgern, die hierzu beigetragen haben. Auch wir als Stadt Frankfurt am Main haben einen kleinen Beitrag geleistet und ich muss sagen, ich bin sehr erfreut, was daraus geworden ist und wie die ehemalige Rödelheimer Synagoge nun wieder sichtbar gemacht wurde. Doch es gibt auch eine Ebene, die über die bauliche neue Gedenkstätte hinausgeht. In der Ankündigung der heutigen Veranstaltung lautet ein Satz: „Aus der Mahnung vor Misstrauen, Ausgrenzung, Diffamierung und Hass muss der Aufbruch führen zu Begegnungen und zum respektvollen Zusammenleben der Religionen.“ Noch wichtiger als die Erinnerung ist das Begreifen der Lehren aus der Geschichte und die Schlüsse, die wir daraus ziehen; sozusagen die Umsetzung ins tägliche Leben. Wir müssen uns auch mit unserer Gegenwart auseinandersetzen. Diese Verpflichtung wird von Tag zu Tag größer, da gegenwärtig eine enorm hohe Zahl von Geflüchteten aus verschiedenen Ländern zu uns kommt und nicht jeder bei uns diesen Menschen auf angemessene Art und Weise begegnet. Wir dürfen eben kein Misstrauen, keine Ausgrenzung, keine Diffamierung und keinen Hass zulassen. Wir müssen das respektvolle Zusammenleben der Menschen, unabhängig von deren Herkunft und Hautfarbe, Geschlecht und Religion fördern. Wir müssen Sie den häufig traumatisierten Flüchtlingen helfen, das bisher Erlebte hinter sich zu lassen. Und wir müssen Ihnen die Hand ausstrecken. Wir können vielleicht nicht die Situation in ihren Herkunftsländern unmittelbar ändern. Aber was wir alle tun können, ist die Lage der Flüchtlinge hier bei uns zu verbessern und ihnen die Integration vor Ort erleichtern. Was mich sehr hoffnungsvoll stimmt ist die Tatsache, dass wir in den vergangenen Monaten zweierlei Entwicklungen in Frankfurt und in ganz Deutschland beobachten konnten: Zunächst stellte uns die schiere Zahl der Flüchtlinge, die in kürzester Zeit in unser Land kamen, vor große Herausforderungen. Immer wieder wurden bisherige Prognosen nach oben korrigiert. Zugleich wuchs die Hilfsbereitschaft der einheimischen Bevölkerung mit. Menschen verschiedener Kulturkreise fanden sich zusammen, quer durch Generationen und über die Geschlechtergrenzen hinweg. Doch obwohl die Herausforderung zwar gewaltig ist, bietet sie zugleich die Chance, dass daraus eine große Bereicherung für uns alle erwächst: in kultureller, in wirtschaftlicher und auch in menschlicher Hinsicht. Frankfurt ist durch Zuwanderung groß und stark geworden. Frankfurt hat immer von seiner Vielfältigkeit profitiert. Auch daran sollte uns die neue alte Rödelheimer Synagoge erinnern.“
Grußwort des Kulturdezernenten Prof. Dr. Felix Semmelroth: „Ich freue mich heute hier sein zu können zur Einweihung einer Gedenkstätte, zu der die erste Idee bereits vor über zehn Jahren entstand. Dass die frühere Rödelheimer Synagoge in ihren Umrissen wieder sichtbar werden konnte, ist vor allem das Verdienst der Bürgerinnen und Bürger, der Initiativen und Vereine, namentlich des sehr rührigen Heimat- und Geschichtsvereins Rödelheim, die nicht nachgelassen haben in ihrem Bemühen, Rödelheim einen Teil seiner Geschichte wiederzugeben und damit zugleich den Bogen zur Gegenwart zu schlagen. Wie sehr dies gelungen ist, lässt sich auf den ersten Blick erkennen. Bereits die sehr durchdachten Pläne haben das gezeigt. Denn hier ist nicht nur ein Ort der Erinnerung entstanden, sondern auch ein Ort der Kommunikation. Nur im Austausch jeder neuen Generation über die Vergangenheit, im Weiter-Nachforschen, im Immer-wieder-neu-Erzählen ist es möglich, zu Erkenntnissen für das heutige Zusammenleben zu gelangen. Solche Prozesse brauchen nicht nur Zeit, sondern auch Raum. Orte werden gebraucht, die solche Denkanstöße bewirken oder zumindest begünstigen. Wir sind heute an einem solchen Ort. Grundriss bedeutet auch Leitfaden oder kurzgefasstes Lehrbuch. Der sichtbar gemachte Grundriss der ehemaligen Synagoge ist in gewisser Weise ein solches. Denn hier wird auf kleinstem Raum angedeutet, was es an jüdischem Leben in Rödelheim einmal gab, wie es für immer zerstört wurde und wie mit dieser Erinnerung umgegangen wurde und wird. Zentral in der Mitte befindet sich das schon 1979 auf Initiative von Bürgern und der beiden Kirchengemeinden errichtete Mahnmal zur Erinnerung an die zerstörte Synagoge und die verschleppten und getöteten Jüdinnen und Juden. Es zeigt noch die Spuren einer Schändung, die es kurz nach seiner Einweihung erfuhr. Sie sind inzwischen Teil der Erinnerung und damit auch stetiger Anstoß zum Nachdenken geworden. Der Stein an der Ostwand der ehemaligen Synagoge erinnert an den Thora-Schrein mit dem Pentateuch, den fünf Büchern Moses, aus denen in jüdischen Gottesdienst vorgelesen wird. Die Stele mit den Namen der bis heute bekannten von den Nationalsozialisten ermordeten oder in den Tod getriebenen Juden steht halb innerhalb und halb außerhalb des Synagogenumrisses. Ein Hinweis darauf, dass es in den Augen der Nationalsozialisten genügte jüdischer Herkunft zu sein, um todeswürdig zu sein, unabhängig davon ob man gläubiger praktizierender Jude war. Zwischen diesen Elementen ist Raum und vor allem sind hier Sitzbänke, auf denen man sich niederlassen, den Ort und seine Elemente auf sich wirken lassen und sich informieren kann über das, was war. Und nicht zuletzt ist es möglich, hier mit anderen ins Gespräch zu kommen. Im Sommer kann man sich hier auch sehr gut eine Lesung, eine Geschichtsstunde oder eine andere Veranstaltung vorstellen, bei der Menschen zusammenkommen, um etwas zu erfahren, vielleicht etwas zu lernen. Und damit sind wir bei einer wichtigen Funktion, die eine Synagoge auch hat. Synagoge aus dem Griechischen bedeutet Versammlung. Eine Synagoge ist im Gegensatz zu einer katholischen Kirche kein geweihter Ort, sie dient nicht nur dem Gottesdienst, sondern auch Gemeindeveranstaltungen, der Erwachsenenbildung und der Bereitstellung von Hebräischschulen für Kinder. Man denke an den jiddischen Begriff Schul. Daher kann fast jeder Ort als Synagoge dienen, wenn er gewissen Anforderungen gerecht wird. Eine Synagoge muss nicht einmal unbedingt ein umschlossener Raum sein. In diesem Sinne – als einen Lern- und Begegnungsort – hat Rödelheim seine Synagoge nun wieder zurück. Bei diesem Projekt sind nicht nur die Umrisse der früheren Rödelheimer Synagoge wieder für die Mit- und Nachwelt sichtbar geworden und damit die Erinnerung an vergangenes jüdisches Leben und seine Auslöschung durch die Nationalsozialisten, sondern auch was Bürgersinn und Gestaltungswille dauerhaft für die Gemeinschaft bewirken können. Dafür möchte ich mich, wie schon mein Vorredner, sehr herzlich bei allen Beteiligten – und das waren nicht wenige – bedanken.“
Grußwort von Veljko Vuksanovic, Ortsvorsteher im Ortsbezirk 7: „Seit 2004 beschäftigt sich der Heimat- und Geschichtsverein – unter dem damaligen Vorsitzenden Bernd Reichel – sowie mehrere Bürgerinitiativen, mit der in den Kriegswirren durch die Nationalsozialisten zerstörten Synagoge. Auch wenn es sich nur um ein kleines Projekt handelt, sind doch viele Ideen, historische Hintergründe und Diskussionen erforderlich gewesen um die Sichtbarmachung der Synagoge in seiner jetzigen Form darzustellen. Bereits seit 1979 veranstalten verschiedene Initiativen Mahnveranstaltung an dem hier erbauten Mahnmal, die das Vergessen an die Gräueltaten der Nazis erinnern soll. Die nun hier entstandene „Sichtbarmachung der Synagoge“ hat einen erweiterten Symbolischen Charakter für uns, der die Menschen erinnern soll, wie viele jüdische Mitglieder unserer aber auch der weltweiten Gemeinde ermordet wurden, aber nicht nur der jüdischen sondern allen anderen von den Nazis verfolgten und ermordeten Menschen. Für mich ist die Sichtbarmachung der Synagoge auch eine Erinnerung an die in Anbetracht der zu uns kommenden Flüchtlinge, die um ihr Leben fürchtend aus ihrer Heimat vertrieben werden und Menschen die in ihrer Heimat durch das diktatorische System verschleppt, gequält und ermordet werden. Ich hoffe, dass wir für alle Zeiten mit Bedacht unsere Demokratie beibehalten und vor Kriegen und Diktatoren verschont werde. An dieser Stelle möchte ich mich bei allen beteiligten Bürgern, den Initiativen und insbesondere dem Heimat- und Geschichtsverein für seine Hartnäckigkeit das Projekt zu errichten bedanken. Weiterhin bedanke ich mich bei allen Sponsoren, die die Verwirklichung des Projektes erst möglich gemacht haben.“
Elke Klee, Pfarrerin i.R. und Heiko Lüssmann von der Kinder- und Jugendinitiative RaUM verlasen die Namen der ermordeten Rödelheimer Juden.
Rabbiner Julian-Chaim Soussan und Yoni Rose, Kantor der jüdischen Gemeinde Frankfurts sprachen das Kel Male Rachamim.
Zum Abschluss übergab Dr. Armin Kroneisen die Gedenkstätte symbolisch an die Stadt Frankfurt, indem er dem Bezirksleiter des Grünflächenamts Stephan Slachmuylders eine Dokumentation überreichte.
Fotos: Heimat- und Geschichtsverein