Karl Brandenstein kam in Frankfurt-Bonames als jüngstes von vier Kindern zur Welt. Die Familie zog nach Rödelheim, wo Karl zunächst die Körnerschule, später die Arndtschule besuchte. Sein Vater starb bereits 1921. Seitdem lebte Karl mit seiner Mutter im 1. Stock der Hattsteiner Straße 6. Nach der Schule arbeitete Karl Brandenstein zunächst als Hilfsarbeiter und war einige Zeit arbeitslos. Ab 1923 arbeitete er für über acht Jahre als Kupferputzer im Hotel Frankfurter Hof. Danach wechselten Tätigkeiten in verschiedenen Gastronomiebetrieben mit Phasen der Arbeitslosigkeit. Zuletzt, 1938, war er als Lagerarbeiter beschäftigt.
Karl Brandenstein hatte einige kleinere Vorstrafen, meist in Form von Geldstrafen, wegen eines minder schweren Falls von Körperverletzung, Warenverkaufs am Sonntag und einer tätlichen Beleidigung. Seit 1934 war Karl Brandenstein der Frankfurter Kripo durch ihre Ermittlungen im „Milieu“ als Homosexueller bekannt. Im Rahmen einer groß angelegten Aktion der Staatspolizei gegen homosexuelle Männer in Frankfurt am Main vom Juli 1938 bis August 1939 wurde Karl Brandenstein am 16. März 1939 festgenommen. Insgesamt wurden bei dieser Aktion mindestens 435 Männer wegen gleichgeschlechtlichen Handlungen verurteilt. Ein Großteil dieser Anklagen ergab sich aus Denunziationen durch andere Verhaftete. So wurde auch Karl Brandenstein denunziert und wegen einvernehmlicher homosexueller Handlungen in mehreren Fällen nach §175 am 10. Juni 1939 vom Landgericht Frankfurt zu einer Gefängnisstrafe von sechs Monaten verurteilt.
Das Gericht beauftragte den häufig in vergleichbaren Prozessen gegen Homosexuelle auftretenden Professor Dr. Rolf Hey, Direktor des Instituts für gerichtliche Medizin der Frankfurter Universität, mit einem Gutachten über den Geisteszustand von Karl Brandenstein. Der Gutachter kam zu dem Schluss, dass Brandenstein an „leichtem bis mittelschweren Schwachsinn“ leide, dieser vermutlich erblich bedingt und auch ursächlich für dessen homosexuelle Neigung sei. Auf die Empfehlung des Gutachters verfügte das Gericht die Zwangsunterbringung in einer „Heil- und Pflegeanstalt“, somit ein zeitlich unbegrenztes Einsperren des Angeklagten.
Am 23. August 1939 wurde Karl Brandenstein vom Gefängnis Frankfurt-Preungesheim in die Anstalt Eichberg im Rheingau transportiert. Seine Mutter versuchte durch ein Gnadengesuch ihren Sohn frei zu bekommen, doch ohne Erfolg. Am 19. Februar 1941 wurde Karl Brandenstein vom Eichberg in die zu dieser Zeit als Tötungsanstalt in der sogenannten T4-Aktion („Euthanasiemorde“) fungierende Landesheilanstalt Hadamar bei Limburg verlegt. Die Sterbeurkunde gibt als fingierte Todesursache „Grippe, Hirnhautentzündung“ an.
Quelle:
- Initiative Stolpersteine Frankfurt
Fotos:
- Initiative Stolpersteine Frankfurt