Sally und Selma Fleisch

Reichsburgstraße 2

Reichsburgstraße 2
Reichsburgstraße 2

Sally Fleisch, geb. am 8. Oktober 1878, war verheiratet mit Selma Fleisch, geb. Sternfels, geb. am 6. September 1892. Sie hatten drei Kinder: Herta, geb. am 1. Januar 1915, Heinrich, geb. am 11. August 1919 und Walter, geb. am 2. Januar 1922.

Seit dem 1. März 1926 war Sally Fleisch Inhaber der Metzgerei in der Reichsburgstraße 2 in Rödelheim, die er von seinem Vater übernommen hatte. Neben dem Haus besaß die Familie Äcker in Rödelheim, Sossenheim und Eschersheim, sowie einen Stall in der Wehrhofstraße.

Zeitzeugen aus Rödelheim berichten, dass die Metzgerei bei den Rödelheimern sehr beliebt war. Sally Fleisch wird als sehr eleganter Mensch beschrieben.

Heinz Fleisch vorne rechts
Heinz Fleisch vorne rechts

Infolge des Boykotts gegen die jüdischen Geschäfte gingen die Umsätze der Metzgerei sehr zurück. Es heißt, dass Sally Fleisch bereits 1936 sein Geschäft schließen musste. Der Betrieb wurde zum 20. Juni 1938 offiziell abgemeldet, das Haus musste verkauft werden. Es wurde 1939 vom Rödelheimer Bankhaus Muth erworben. Familie Fleisch wohnte nun als Mieter in ihrem vormaligen Haus. Vom Kaufpreis in Höhe von 70.000 RM wurden der Familie lediglich 33.000 RM auf einem Konto des Bankhauses Muth gutgeschrieben. Darüber hinaus musste das Ehepaar 12.500 RM als „Judenvermögensabgabe“ entrichten. Ab dem 18. März 1940 musste die Familie bei Verwandten im Kettenhofweg 94 wohnen.

Die Kinder von Sally und Selma Fleisch konnten sich rechtzeitig nach Südengland bzw. Südafrika retten. Herta verließ Deutschland 1937 und folgte ihrem Verlobten nach Südafrika. Ihr Bruder Heinrich bekam für Südafrika lediglich ein Besuchsvisum für einen Tag und musste sich danach in Nordrhodesien durchschlagen, bevor er nach dem Krieg nach England zog.

Walter Fleisch blieb bis 1939 in Rödelheim. Durch die Hilfe eines früher mit ihm befreundeten SS-Sturmbannführers konnte der als Leiter eines Kindertransportes nach England ausreisen. Dort wurde er bei Kriegsbeginn zunächst interniert und nach Australien geschickt. Später konnte er wieder nach England zurückkehren und kämpfte dann als Soldat der britischen Armee gegen das nationalsozialistische Deutschland.

Am 19. Oktober 1941 wurden Sally Fleisch im Alter von 63 Jahren und seine Frau Selma im Alter von 49 Jahren mit der ersten großen Deportation aus Frankfurt in das Ghetto Lodz verschleppt, wo sie ums Leben kamen. In dem Ghetto lebten zeitweise bis zu 200.000 Menschen. Die überwiegende Zahl der jüdischen Bewohner leistete Zwangsarbeit, lebte schlecht ernährt und mangelhaft medizinisch versorgt. Ca. 23% der Bewohner starb aufgrund dieser katastrophalen Lebensbedingungen. Nachdem Heinrich Himmler 1944 die Schließung des Ghettos anordnete, wurden die Bewohner nahezu alle in das nahegelegene Vernichtungslager Chelmno oder nach Auschwitz deportiert. Das amtliche Todesdatum für Sally und Selma Fleisch wurde auf den 8. Mai 1945 festgelegt.

Quellen:

  • Krohn, Helga / Rauschenberger, Katharina, Hrsg. Jüdisches Museum Frankfurt, Die vergessenen Nachbarn – Juden in Rödelheim, Frankfurt am Main 1990
  • Suchliste Yad Vashem
  • Jüdisches Museum Frankfurt am Main
  • Archiv Gruppe Stadtteilerkundung in der Evangelischen Cyriakusgemeinde
  • Archiv Heimat- und Geschichtsverein Rödelheim